Interview mit Ernährungswissenschaftlerin Edith Sichtar

Edith SichtarEdith Sichtar ist Ernährungswissenschaftlerin und spezialisiert auf vegetarische und vegane Ernährung. Manuel Grebenjak sprach mit ihr über Veganismus, wie dieser in der Gastronomie umsetzbar wäre und wie sie selbst vegan geworden ist.

 

DER VKÖ: Warum ist die vegane Lebensweise so aktuell und das Thema Veganismus in den letzten Jahren so stark in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt?
Edith Sichtar: In den Medien wird einfach sehr viel darüber berichtet. Alleine, was den gesundheitlichen Aspekt betrifft. Es gibt zum Beispiel immer mehr Leistungssportler, die sich vegan ernähren und von ihren Erlebnissen berichten, die erzählen wie sie ihre Leistung steigern konnten und dass es gesundheitliche Vorteile hat. Auf der anderen Seite ist es so, dass auch immer mehr Eindrücke aus der Massentierhaltung an die Öffentlichkeit gelangen. Die Menschen sehen da, wie es in der Wirklichkeit aussieht und nicht, was ihnen die Werbung zeigt. Dadurch gibt es auch immer mehr Menschen, die beginnen, ihre Ernährung umzustellen.

 

DER VKÖ: Aber wird nicht nur ein kleiner Teil dessen, was in der Massentierhaltung passiert, auch an die Öffentlichkeit transportiert?
Sichtar: Es geht vorwärts, wenn auch in kleinen Schritten. Im Jahr 2013 ist die letzte IFES-Studie herausgekommen, die berichtet, dass der Anteil der vegetarisch und vegan lebenden Menschen in Österreich neun Prozent beträgt. Vor einiger Zeit waren es nur zwei Prozent. Dass sich etwas ändert, merkt man auch daran, dass die Supermärkte ihr Angebot verändern und zum Beispiel mittlerweile auch vegane Eigenmarken haben.

 

DER VKÖ: Sind neun Prozent Vegetarier im internationalen Vergleich viel?
Sichtar: Es ist schon im besseren Feld. Natürlich ist es in Ländern wie Indien, wo vegetarische Ernährung Teil der Religion ist, viel, viel höher. Dort ernährt sich der Großteil der Bevölkerung vegetarisch. Aber für eine Industrienation ist es schon recht viel.

 

DER VKÖ: Welche Rolle sollten vegane Gerichte für Köche bzw. in der Gastronomie spielen?
Sichtar: Ich denke eine gleichwertige Position wie die konventionellen Gerichte. Denn im Moment ist es ja so, dass vegetarische Gerichte nur als Alternative angeboten werden. Auf der Speisekarte findet man, wenn überhaupt, nur zwei, drei vegetarische Speisen und der Rest sind Fleischgerichte. Schön wäre es, wenn hier einfach ein Gleichstand herrschen würde. Das heißt, auf der Karte gibt es wirklich je zur Hälfte Fleischgerichte und vegetarische bzw. vegane und man kann es sich aussuchen. Das nächste ist der gesundheitliche Aspekt. In Kantinen zum Beispiel ist das vegetarische Gericht meist eine Süßspeise, was man jetzt zu Mittag auch nicht unbedingt braucht.

 

DER VKÖ: Welche Rolle könnten Köche bzw. die Gastronomie dabei spielen, dass sich vegetarische und vegane Ernährung weiter verbreitet?
Sichtar: Für ganz wichtig halte ich es erst einmal, dass sich die Köchinnen und Köche schulen, dass sie sich professionelles Wissen darüber aneignen. Und in weiterer Folge, dass sie die Speisen optisch und geschmacklich so ansprechend zubereiten, dass sich auch Mischköstler, die normalerweise zum Fleischgericht greifen würden denken, „Heute probiere ich das einmal aus“. Oder auch, dass man die traditionellen Gerichte, die es in Österreich gibt, wie Schnitzel oder Eiernockerl auch vegan so gut hinbekommt, dass es eben auch gut schmeckt.

 

DER VKÖ: Es gibt für Betriebe natürlich auch Hindernisse und Schwierigkeiten, wenn zu einem großen Teil auf vegane Gerichte umgestellt werden soll. Was würdest du Betrieben raten, die ihre Karte umstellen wollen?
Sichtar: Wenn ein Betrieb wirklich umstellen will, dann geht es ja nicht von heute auf morgen. Man muss die Köche auch wirklich darauf vorbereiten. Der Koch kann jetzt auch nicht von heute auf morgen alle Gerichte vegan zubereiten und dann schmeckt es den Leuten nicht. Aber genau dafür gibt es jetzt Zusatzausbildungen, die bisher gefehlt haben. Es hat in der letzten Zeit immer mehr Hotels oder Restaurants gegeben, die mehr vegane Gerichte anbieten wollten. Die Köche konnten vieles aber einfach nicht kochen, weil sie keine Erfahrung damit hatten. Da setzt jetzt das von der EU geförderte Vegucation-Programm an. In dessen Rahmen wurde eine Zusatzausbildung für fertige Köche gestaltet. Hier lernen die Köchinnen und Köche sowohl, wie man klassische Gerichte in vegane umwandelt, also zum Beispiel ein Schnitzel in ein Sojaschnitzel umwandelt, aber auch etwas über Vollwertkost oder auch extravagante Gerichte und Süßspeisen. Also wirklich die ganze Palette.

 

DER VKÖ: Worauf ist bei der Ausbildung von veganen Köchen zu achten?
Sichtar: Also meiner Meinung nach, nicht nur auf das Praktische, sondern auch auf die Theorie. Das heißt, dass man zum Beispiel lernt, was die Definition von vegan überhaupt ist. Oder auch welche Zutaten und Gerichte es gibt, die sie schon in der Mischkost-Küche verwendet haben und was sie davon in der veganen Küche verwenden können.
Nur ein Beispiel: Wenn sie zum Beispiel einen Salat machen und die Marinade dafür vorbereiten, dann stellt sich die Frage, ob der Essig, der verwendet wird mit Gelatine geklärt wurde. Oder auch wenn sie Wein für eine Soße verwenden. Auch der kann mit Gelatine geklärt worden sein. Solche Sachen muss man wissen und dann auch bei der Produktbestellung berücksichtigen.

 

DER VKÖ: Gerade Ersatzstoffe erwecken bei manchen Menschen negative Assoziationen. Was würdest du Leuten entgegnen, die durch solche Produkte zu viel „Fabrik oder Chemie im Essen“ befürchten?
Sichtar: Es gibt gesunde und ungesunde Ersatzprodukte. Es ist genauso wie bei konventionellen Produkten möglich, auf Ersatzprodukte mit Geschmacksverstärkern und Konservierungsstoffen, wie etwa irgendeine Wurst, zurückzugreifen. Man kann sich die Dinge aber auch selbst machen. Ei zum Beispiel lässt sich durch Apfelmus, zerdrückte Bananen oder Speisestärke ersetzen. Bei pflanzlicher Milch kann man welche mit Aromen oder Zucker kaufen, genauso aber solche, die nur aus Sojabohnen und Wasser besteht. Genauso bei den Fleischersatzprodukten, zum Beispiel Seitan. Da kauft man einfach nur das Weizeneiweiß und mischt es mit Gewürzen. Oder man kauft es als fertiges Produkt.

 

DER VKÖ: Wie siehst du die wirtschaftliche Komponente? Gibt es vielleicht Gerichte, bei denen es weitaus teurer oder schwieriger wäre, sie in veganer Ausführung zu kochen? Auch was die Arbeitszeit anbelangt.
Sichtar: Es rentiert sich wirtschaftlich auf jeden Fall! Gerade wenn man viel mit, zum Beispiel, Hülsenfrüchten macht, ist das natürlich viel billiger, als wenn man jetzt Fisch oder Fleisch nimmt. Etwas teurer sind natürlich die Ersatzprodukte. Veganer Käse zum Beispiel. Gerade in letzter Zeit ist es aber so, dass viele vegane Restaurants neu eröffnen und dort sind die Preise überwiegend auch sehr moderat. Gerade wenn man sich vermehrt auf Gerichte mit Getreide, Hülsenfrüchten und Gemüse konzentriert, sind diese nicht nur relativ günstig und rentiert sich wirtschaftlich, sondern es ist auch am gesündesten.

 

 

„Am Anfang hatte ich selbst Vorurteile gegen Veganer.“

 

DER VKÖ: Du bist jetzt vor allem auf die Kosten für Zutaten eingegangen. Ein sehr großer Ausgabenposten für Betriebe sind aber vor allem die Personalkosten. Sind viele vegane Gerichte nicht aufwändiger zu produzieren, gerade am Anfang? Und auch die Auswahl an Fertiggerichten ist geringer, wenn ein Betrieb darauf zurückgreifen will.
Sichtar: Es gibt schon viele vegane Fertiggerichte, die zu bekommen ist kein Problem. Es sind ja auch viele Produkte vegan, die jetzt nicht explizit so deklariert sind. Und was die Arbeitszeit anbelangt, möchte ich nochmal kurz auf die Ausbildung eingehen. Die wird zu 75 Prozent von der EU gefördert und die restlichen 25 Prozent vom VGÖ. Das heißt, die kostet den Betrieb gar nichts. Im Rahmen der Ausbildung gibt es sehr viel praktische Übung, das heißt am Ende sollten die Köche in dem, was sie gelernt haben, schon sehr sattelfest sein.

 

DER VKÖ: Wie bist du selbst eigentlich zum Veganismus gekommen?
Sichtar: Ich war zuerst vegetarisch. Dazu bin ich wegen einer Doku über Schweinehaltung gekommen. Die war so fürchterlich, dass ich mir gedacht habe, nein, das will ich nicht mehr. Dann habe ich zuerst einmal nur während der Fastenzeit auf Fleisch verzichtet. Weil es mir nicht gefehlt hat, bin ich dabei geblieben. Etwa zwei Jahre später bin ich über eine Freundin zu „Vier Pfoten“ gekommen. Dort waren viele Leute vegan. Am Anfang hatte ich selbst noch Vorurteile gegen Veganer und habe mir gedacht, vegan werde ich nie, das ist mir viel zu extrem. Man redet aber mit den Leuten und kriegt mit, warum sie keine Eier essen und keine Milch trinken. Ich habe es dann auch probiert und angefangen, mich vegan zu ernähren. Es war am Anfang etwas schwierig, gerade auf den Käse zu verzichten war schon hart. Aber es waren nur ein paar Monate, wo man die Zähne zusammenbeißen musste und danach ist es gegangen. Es hat mir gar nicht mehr gefehlt. Und es ist witzig, etwa ein Jahr später habe ich dann noch einmal Käse gekostet und es hat mir dann gar nicht mehr geschmeckt. Sogar die Geschmacksnerven stellen sich so um, dass du etwas, was du vorher gern gegessen hast, dann gar nicht mehr magst.

 

DER VKÖ: Glaubst du nicht, dass da sehr viel die Psyche mitspielt, also dass man einfach durch das Hintergrundwissen eine gewisse Abneigung entwickelt?
Sichtar: Das sicher auch. Wenn man schon einmal weiß, was drin ist und was dahinter steckt, will man es auch nicht mehr essen.

 

Edith Sichtar (28) ist Ernährungswissenschaftlerin und beschäftigt sich intensiv mit pflanzlichen Lebensmitteln und veganer Ernährung. Seit 2013 setzt sie sich hauptberuflich beim Verein Gegen Tierfabriken (VGT) für die Verbesserung der Haltungsbedingungen von Tieren ein. Nebenberuflich bietet sie mit ihrem Unternehmen www.veggie-dreams.at Vorträge, Workshops und Beratungen für vegan lebende Menschen sowie Interessierte an und kooperiert mit der Veganen Gesellschaft Österreich (VGÖ).

1 Comment

  • Schneider Günter sagt:

    Guten Tag Frau Sichtar
    Frage an Sie was Sie da in der Studio an Forschungsarbeit schreiben ist ein großer Plödsinn bis jetzt hat sich fast was in der letzten Zeit erforscht haben wurden wiederlegt, bis jetzt war immer noch die alten Waißheiten die besseren. Ob in der Hygiene oder beim Essen wurde alles wiederlegt. Was Ihr euch Denkt bei den Studien frage ich mich. Ihr wollt nur irgendetwas schreiben damit Ihr einen Namen bekommts sonst nichts.

    Schneider Günter

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